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Channel: Kommentare zu: Karl Popper und das Problem der Falsifikation
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Von: Immanuel Scheerer

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Ich entschuldige meinen überaus späten Kommentar, aber ich habe diesen überaus interessanten Beitrag gerade erst gelesen.

Zunächst zum grundlegenden Problem dieser Diskussion: Es steht zur Disposition, ob das Falsifikationsprinzip nicht falsifiziert sei. Das ist ein zyklisches Problem, denn wenn das Falsifikationsprinzip falsch wäre, so wäre seine eigene Falsifikation nicht sehr bedeutend.

Von Feyerabend habe ich bisher nur die Autobiographie (“Zeitverschwendung”) gelesen, aber “Wider den Methodenzwang” ist soeben im Einkaufswagen eines großen Online-Buchversandes gelandet. Daher werde ich aber zum jetzigen Zeitpunkt ohne Einbezug von Feyerabends Erkenntnissen argumentieren müssen.

Die Errungenschaft von Poppers Falsifikationsprinzip ist, dass es die einzige mir momentan bekannte “harte” Abgrenzung zu allen anderen Erkenntnismöglichkeiten des Menschen schafft, sei es Philosophie, Religion und meinetwegen Esoterik: Nur mit dieser “harten” Methode kann der natürliche und notwendige Hang des Menschen, sich mit den eigenen Hypothesen und Erkenntnissen zu identifizieren, in Schach gehalten werden. Das ist die einzige Basis für eine annähernd “objektive”, vom individuellen Menschen unabhängige Erkenntnis geschaffen werden, die das Prädikat “objektiv” am ehesten verdient.

Unabhängig davon, ob Poppers Falsifikationsprinzip in der Praxis universell angewendet werden kann, würde sein Preisgabe die Preisgabe der “harten” Wissenschaften bedeuten: Dann könnte die Wissenschaft im Wesen nicht von den anderen Erkenntnismöglichkeiten unterschieden werden, solange kein anderes Abgrenzungskriterium gefunden wird.

Daher ist meine Hypothese: Die Grenzen des Popper’schen Falsifikationsprinzips sind die Grenzen der “harten” Wissenschaften. Falls diese Hypothese stimmen sollte, ist in der Wissenschaft eine breite Diskussion über diese Grenze notwendig, weil sonst zwischen “harter” Wissenschaft und Esoterik nicht unterschieden werden kann, was ein sehr eigentümliches Licht auf den heutigen Wissenschaftsbetrieb werfen dürfte.

Zur universellen Anwendbarkeit des Falsifikationsprinzips: Es ist notwendig, zwischen dem Kern oder dem “Wesen” einer Hypothese auf der einen Seite, und den daraus folgenden oder abgeleiteten Konsequenzen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Die Falsifikation nach Popper kann nur sinnvoll auf den Kern einer Hypothese angewendet werden. Würde man es auf alle abgeleiteten Konsequenzen anwenden wollen, würde man gleichzeitig die Existenz der Weltformel postulieren, die alle Erkenntnisbereiche in Zusammenhang bringen kann, und damit einem absoluten Reduktionismus entspricht, der alle wahrnehmbaren Ebenen auf eine einzige abbilden kann.

Mehr dazu, wenn ich “Wider den Methodenzwang” gelesen habe.


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